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  • Arianna Bisaz

Regenerativer Gemüsebau dank Direktpflanzung in Mulch

Aktualisiert: 21. Nov. 2023

Regenerativer Gemüsebau: Ein Blogbeitrag über den Betrieb von Johannes Storch im deutschen Westerwald, der es mit seinem System der Direktpflanzung in Mulch schafft, intensiven Gemüseanbau mit Bodenregenerierung, Humusaufbau und Rentabilität zu kombinieren.



Aus fruchtbarem Boden wächst üppiges und gesundes Gemüse. So viel erst mal zur Motivation und Pflicht, als Gemüsebäuerin oder Gemüsebauer alles daran zu setzen, die Fruchtbarkeit seines Bodens zu erhalten oder sogar zu steigern.


Jetzt ist es aber so, dass ein Glaubenssatz in vielen Köpfen umherschwirrt, wonach ein intensiver biologischer Gemüsebau «naturgegeben» oder sogar fast «schicksalshaft» zu einer abnehmenden Bodenfruchtbarkeit sprich Humusabbau führt.


Humbug oder wahr?


Für Johannes Storch, Experte für Mulch-Direktpflanzung im Gemüsebau und Preisträger des Bundeswettbewerbs ökologischer Landbau 2022, sind intensiver Gemüsebau und Bodenaufbau kein Widerspruch. Intensiver Gemüsebau kann tatsächlich schnell zu Humusabbau führen. Er kann handkehrum aber auch für Humusaufbau genutzt werden.


Es gelte nur die richtigen Verfahren und Methoden zu kombinieren, damit aus dem Abbau ein Aufbau werde... Wie das genau geht - das hat Johannes Storch zusammen mit seinem Team über viele Praxisjahre in grosser Forschungs-, Entwicklungs- und Dokumentationsarbeit entwickelt.


Wüste-Gemüsebau versus Mulch-Gemüsebau


Die Natur hält Boden fruchtbar, indem sie diesen möglichst immer bedeckt und immer durchwurzelt hält. Einzige Ausnahme sind Wüsten, welche nie oder nicht dauernd bedeckt und durchwurzelt sind.


Im Gemüsebau imitiere man oft die Wüste, stellt Johannes Storch fest. Teilweise ist das nachvollziehbar, da alles schnell gehen muss, die Kulturen rasch aufeinanderfolgen und bei all dem geschäftigen Treiben nicht immer konsequent auf die Witterungs- und Bodenverhältnisse eingegangen werden kann. Storch vertritt jedoch die Meinung, dass angesichts des zunehmenden Klimawandels der «Wüste-Gemüsebau» nicht mehr verantwortet werden kann. Zudem sei das Phänomen, wonach sich in unseren Breitengraden eine Wüste aus eigenem Antrieb zu regenerieren bemüht, also sich mit «Unkräutern» einfach selbst begrünt, für «Gmüesler» sehr lästig.


Johnannes Storch entwarf deshalb vor mehreren Jahren ein von der Natur kopiertes Anbausystem und entwickelte Spezialmaschinen, um sein Land bodenverbessernd zu bewirtschaften. Die wichtigsten zwei Merkmale seiner Methode: Der Boden wird ganzjährig unter einer schützenden Mulchdecke gehalten. Zudem ist er dank Direktpflanzung bzw. Direktsaat ganzjährig durchwurzelt.


Die Kombination von Mulch und Dauerbewurzelung hat es in sich. Denn während der Mulch seine Wirkung vordergründig an der Bodenoberfläche entfaltet, wird die Tiefenwirkung, die zu Bodenaufbau führt, erst durch die Dauerbewurzelung erreicht. Zudem liefert die dauerhafte Durchwurzelung das Material für die dauerhafte organische Mulchdecke.


Mulch ist nicht einfach Mulch


Johannes Storch und sein Team kultivieren auf ihrem Betrieb im Westerwald (D) auf ca. 5 Hektaren um die 35 Sorten Feldgemüse. Alle Gemüsefelder sind mit einer dicken Mulchschicht bedeckt. Dank einer optimierten Fruchtfolge mit starkem Fokus auf biomassestarke Zwischenfrüchte wird das gesamte Mulchmaterial aus der Gemüsefläche selbst gewonnen.


Oft stammt das Mulchmaterial von derselben Fläche, auf welche es ausgebracht wird (sogenannter Insitu-Mulch). Fallen Mulch- und Pflanzzeitpunkt nicht zusammen bzw. fehlt es auf einem gegebenen Feld an Biomasse, kommt Mulchmaterial von Geberflächen nebenan (Transfermulch).


Die Auswirkungen der Mulchdecke sind gewaltig:

  • Schutz des Bodens vor Verdunstung und Erosion;

  • Unterdrückung von Samenunkräutern (nicht aber von Wurzelunkräutern, welche unter der Mulchschicht weiter austreiben!) und dadurch massive Reduktion der Handarbeit;

  • eine verbesserte Nährstoffversorgung der Pflanze durch die Düngerwirkung des sich zersetzenden Materials (Mulchmaterial verursacht nie eine N-Sperre in der Pflanzenversorgung, da es nicht in den Boden eingearbeitet, sondern auf dem Boden aufliegend ist);

  • und ein Boden voller Leben – ganze 400 Regenwürmer pro Quadratmeter, welche den Boden auflockern und belüften.

So funktionieren seine Gemüsepflanzen wasserautark und müssen nur bei extremer Hitze und Trockenheit bewässert werden (Man beachte: Die Jahresniederschlagsmenge im Westerwald liegt bei ca. 1100mm).


Mulch-Gemüsebau ist anspruchsvoll


Was auf den ersten Blick simpel aussieht, erfordert in Realität allerlei spezifisches Wissen und jede Menge Erfahrung. Zwar eignet sich Mulchanbau grundsätzlich für alle Kulturen; die Anwendung muss aber zielspezifisch gestaltet und immer in Wechselwirkung mit bzw. als Teil eines Gesamtsystems betrachtet werden.


Viel Professionalität und Fingerspitzengefühl benötigt zudem die Handhabung von vermeintlich nebensächlichen und indirekten Effekten der Methode, wie zum Beispiel die Bodentemperatur, die Mineralisierungsrate und die bodennahe Lufttemperatur.



Ideale Mulchstruktur mit Grob- und Feinanteilen (Quelle: Online Seminar Mulch-Gemüsebau)


Beispiele indirekter Auswirkungen von Mulch auf die Kulturentwicklung


Generell ist bekannt, dass Mulch als Isolator die Bodentemperatur ausgleicht - ein bedeckter Boden wird Ende Saison weniger schnell kalt, anfangs Saison braucht er hingegen länger, um sich zu erwärmen. Deshalb muss man z.B. frühe Sätze im Frühling eher ohne Mulch anlegen – oder die aufgrund tieferer Bodentemperaturen geringer ausfallende Mineralisierung kompensieren.


Weniger offenkundig ist, dass sich grossflächig ausgelegter Mulch direkt auf die Lufttemperatur über dem Boden auswirkt. Zum Beispiel in der Nacht: Ohne Bodenbedeckung erwärmt die Sonnenenergie tagsüber den Boden und gibt die Wärme in der Nacht wieder ab - mit Mulch wird tagsüber kaum Wärme in den Boden geleitet, und so fehlt dann auch die Wärmeabstrahlung in der Nacht. Gemulchte Kulturen sind somit bei Spätfrösten im Frühling eher frostgefährdet. Es kann durchaus vorkommen, dass auf den normal bewirtschafteten Feldern kein Frost ist, während auf gemulchten Flächen alles gefroren ist.


Grossflächig angelegter Mulch kann deshalb zu einer etwas längeren Kulturzeit führen. Daher sollte gut überlegt werden, bei welchen Kulturen bzw. Vermarktungskanälen Mulch angebracht ist. Denn liefert die Konkurrenz schon die ersten frischen Zucchini am Marktstand, macht es nur bedingt Spass, die Kundschaft weiterhin aus dem Winterlager bedienen zu müssen.


Der verzögerte Reifezeitpunkt wird aber mit höherem Ertrag ausgeglichen: Im Betrieb von Johannes Storch sind es im Durchschnitt beeindruckende 25 Prozent Mehrertrag – und dies bei optimierter Produktqualität, verbesserter Wirtschaftlichkeit sowie erhöhten Humusgehalten auf seinen Flächen.


Wie lautet also das Geheimrezept? Wie funktioniert Storchs erfolgreiches System?


1. Garebildung


Um das Mulch-Gemüsebau-System zu starten, empfiehlt Johannes Storch als erste Massnahme, im Herbst bei warmem und trockenem Boden den Unterboden zu lockern, die Wurzelunkräuter möglichst komplett zu entfernen (rauskämmen, austrocknen) und die Bodenoberfläche zu ebnen.


Anschliessend sind die Beete über ein RTK-Lenksystem mit festen Fahrspuren zu versehen und so vorzubereiten, wie es die vorgesehene Gemüsekultur im Folgejahr erfordert. Zudem sollen die Nährstoffgleichgewichte hergestellt werden.


Durch die Tiefenlockerung wird eine «mechanische Gare» erschafft, in welche eine biomassestarke überwinternde Zwischenfrucht (Wick-Roggen oder Wick-Triticale mit Wintererbse) zeitnah eingesät wird. Die mechanische Gare wird durch die Zwischenfrucht schnell durchwurzelt bzw. lebendverbaut und stabilisiert.


Nach diesen ersten Schritten wird der tiefere Boden nicht mehr bearbeitet bzw. «verletzt» (und damit wird auch das Unkrautwachstum nicht angeregt).


Die Eliminierung der Bodenbearbeitung ist übrigens gemäss Johannes Storch nicht die Bedingung für mehr Bodenfruchtbarkeit, sondern dessen Ergebnis: Erst wenn Bodenfruchtbarkeit aufgebaut ist, kann die Bodenbearbeitungsintensität reduziert werden.



Mechanische Bodengare im Spätfrühling (Quelle: Das Anbausystem » live2give)


2. Etablierung der Mulchdecke


Sind die Zwischenfruchtbestände auf einem hohen Ertragsniveau herangewachsen, was meistens im Mai des Folgejahres der Fall ist, wird in einem weiteren Schritt die Zwischenfrucht kurz vor dem Pflanztermin der Gemüsekultur bodennah abgeschlegelt und eine In-Situ-Mulchschicht erzeugt. Dabei verbleiben die Stoppeln und Wurzeln auf bzw. im Boden.


Eine gleichmässige Auflagestärke der Mulchdecke von etwa 8 cm (entspricht ca. 10-15 Trockenmasse/ha) schliesst Unkrautdurchwuchs aus. Das feinere Mulchmaterial dunkelt gut ab, gröberes Material hält die Mulchdecke zusammen und begünstigt den Luftaustausch. Sollte nicht genügend Biomasse vorhanden sein, ist ein Ergänzen mit Transfermulch nötig.



Durch das Schlegeln generierte dicke Insitu-Mulchschicht (Quelle: Online Seminar Mulch-Gemüsebau)


3. Direktpflanzung


Nach dem Mulchen wird das Gemüse in Form von Töpfchen, Stecklingen, Zwiebeln oder grobkörnigen Samen mit dem (von Storch entwickelten) MulchTec-Planter direkt in den unbearbeiteten, durchwurzelten und bedeckten Boden gepflanzt.


Vereinfacht wiedergegeben funktioniert das folgendermassen: Der MulchTec-Planter schneidet die Mulchschicht auf, setzt mit dem Pflanzschar die Jungpflanzen in den Boden, um dann den Boden mit Andruckrollen wieder anzudrücken und die Mulchschicht wieder zu schliessen.


Die Maschine ist gemäss Johannes Storch der Schlüssel für die wirtschaftliche Umsetzung seines Mulch-Gemüsebaus. Sie ermöglicht dank elektronischer Steuerung eine präzise Abstands- und Andruckregelung der Setzlinge und regelt in einem Arbeitsgang Pflanzung, Unterfussdüngung (um die anfangs langsame Mineralisation von Nährstoffen aus dem Mulch mit einer “Anschubdüngung” zu überbrücken), sowie Anwässerung der gesetzten Jungpflanzen.


Durch die systembedingte schnelle Arbeit sowie präzisere und höhere Pflanzdichte – ohne Hacken können Kulturen wie z.B. Lauch und Rosenkohl enger gepflanzt werden - sind grössere Erträge möglich.



Lauch-Direktpflanzung in engem Abstand mit dem MulchTec-Planter (Quelle: Online Seminar Mulch-Gemüsebau)


4. Erhaltung der Mulchdecke


Um auch nach der Ernte bzw. Ende Saison die ideale Bodenstruktur samt regem Bodenleben zu bewahren, setzt Johannes Storch eine ebenfalls selbst entwickelte Umkehrfräse namens Mulchtech-Rotoseeder ein.


Im Gegensatz zu einer konventionellen Fräse besteht bei einer Umkehrfräse keine Schmierschicht-Gefahr. Durch das Prinzip der Umkehrfräse werden Restmulch und Ernterückstände (und gegebenenfalls aufgekommene Unkräuter) im Inneren der Maschine nach oben geleitet und hinter der Maschine wieder mehr oder weniger unverändert abgelegt. Vor dem Wiederablegen dieses «Restmaterials» wird das Saatgut über eine Säschiene auf dem Fräs- bzw. wasserführenden Horizont eingebracht.


Dieser Arbeitsgang stellt den krönenden Abschluss des Systems dauerhaft bedeckt und durchwurzelt dar. Es stellt sich jetzt natürlich die Frage, ob ein Mulch-Gemüsebau so sehr ausgereift und differenziert geführt werden muss, um humusaufbauend und rentabel zu sein?

Nein, meint Johannes Storch – man könne «klein» und ohne spezifische Maschinen mit dem System Dauerbedeckt und Dauerdurchwurzelt starten, z.B. nach zweimaligen Hacken einer gut etablierten Kultur mit dem Feldwagen fein geschnittenen Mulch auf die Kultur austragen.



Durch den Restmulch aufgelaufene Zwischenfrucht, welche mit dem Mulchtech-Rotoseeder abgelegt wurde (Quelle: Das Anbausystem » live2give)


Fazit


Mulchgemüsebau nach der Methode Johannes Storch leistet einen wichtigen Beitrag zu einer höheren Klimawandelresilienz, zu grösserer Bodenfruchtbarkeit sowie zu einer besseren Wirtschaftlichkeit des Gemüsebaus.


Interessant ist auch festzustellen, dass sein Ansatz vier Prinzipien der regenerativen Landwirtschaft ganz oder teilweise erfüllt: Die dauernde Bodenbedeckung, der konstant durchwurzelte Boden, die Erhöhung der Biodiversität (dank Zwischenfrüchten) und die Eliminierung von tieferer Bodenbearbeitung.


Auch wenn der ökologische Mehrwert und die bessere Produktqualität am Markt noch nicht gut kapitalisierbar sind: Die etwas höheren Kosten seines Ansatzes werden mit einem deutlichen Mehrertrag an Erntegut mehr als wettgemacht.


Denn der Ertrag ist nicht nur von der Grösse der kultivierten Fläche abhängig, sprich von den Hektaren Land, sondern ein Resultat des bewirtschafteten Volumens fruchtbaren Bodens, sprich der Kubikmeter, welche mit Wurzeln aufgeschlossen wurden – und diese Kubikmeterzahl ist bei Direktpflanzsystem in Mulch sehr hoch.



Weiterbildung:


Basiskurs regenerativer Gemüsebau 2024, Beginn am 19. Februar 2024. Jetzt anmelden:











Online-Webinar von Johannes Storch & Urs Mauk: Mulch-Direktpflanzung im Gemüsebau (2021)


Quellen / Links

Website von Johannes Storch live2give

MulchTec-Planter, Gemüsepflanzung in Transfer-Mulch mit dem MulchTec-Planter (Video, 2020)

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