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Arianna Bisaz

Wasser, Humus und das Klima

Aktualisiert: 3. Mai 2021


Bist du vielleicht der Meinung, dass unsere wiederkehrenden Trockenperioden oder Starkniederschlägen eine Folge des Klimawandels sprich zu hoher Kohlendioxidwerte in der Luft sind? Und dass wir als Landwirte und Landwirtinnen Kohlenstoff in den Boden versenken sollen, um – wie es so schön heisst – das Weltklima zu retten?


Nun ja, die grossflächige konsequente Speicherung von Kohlenstoff in Böden ist in der Tat sehr wichtig. Aber, wie wir in diesem Blogbeitrag lesen werden, nicht in erster Linie wegen der Kohlenstoffentnahme aus der Luft, welche uns über viele Jahrzehnte helfen soll, zurück zu einer «sicheren» Kohlendioxid-Konzentration von circa 350ppm zu finden.


Nein, diese Anreicherung des Bodens mit Kohlenstoff ist vor allem darum so wichtig, weil damit der Boden sehr schnell wieder humusreicher wird und seine schwammartige Aggregatstruktur zurückerlangt. Und dadurch wieder topfit wird, um seine diversen, für uns lebenswichtigen Funktionen vollumfänglich zu erfüllen. Aber lass mich etwas ausholen.


Gestörte Kreisläufe


In der Wissenschaft herrscht allgemein der Konsens, dass mindestens zwei Drittel der natürlichen Wärmedynamik der Erde vom Treibhausgas Wasser bestimmt wird. Wäre da nicht der Wasserdampf in unserer Atmosphäre, die die Erde puffert, wäre unser Planet zu kalt, um bewohnt zu werden. Die Phasenwechsel des Wassers - von fest zu flüssig zu gasförmig und wieder zurück - stellen ein aussergewöhnliches System der Wärmeübertragung dar. So speichert Wasserdampf Energie über Verdunstung in «latente Wärme» und gibt sie über Kondensation des Wasserdampfes in «fühlbare Wärme» wieder ab. Wasser kann somit zu Recht als der Wärmeregulator der Erde bezeichnet werden.


Nur, es ist die schiere Unermesslichkeit der Rolle des Wassers für das Klima, die gewisse Wissenschaftler zum Schluss kommen liess, dass der Mensch keinen Einfluss darauf nehmen könne und dass wir uns doch besser auf andere Treibhausgase, wie das liebe Kohlendioxid, fokussieren sollten. Der slowakische Hydrologe Michal Kravčík, der die Auswirkungen von Änderungen im Wasserkreislauf auf die globale Erwärmung untersucht (und nicht, wie umgekehrt üblich, die Auswirkungen der Klimaerwärmung auf das Wasser!!), weiss aber eines Besseren.


So wie die Meere und Ozeane der Schlüssel für die globale Thermoregulation unseres Planeten sind – als sogenannter grosser horizontaler Wasserkreislauf - so kommt dem kleinen, vertikalen Wasserkreislauf, wo Verdunstung, Niederschlag und Infiltration/Abfluss in einem eng umgrenzten Gebiet stattfindet, eine Schlüsselrolle für ein stabiles lokales Klima zu.


Das Phänomen «grünes Wasser»


Interessant festzustellen ist, dass Wasser seinen Zustand von flüssig zu gasförmig meist nicht von selbst ändert: Ein Grossteil dieser Bewegung wird von der Biologie bestimmt, insbesondere von Pflanzen. Schlendere zu einer schönen Wiese oder einem gut bewirtschafteten Feld mit einem dichten Teppich aus Pflanzen. Hier trifft die Sonnenenergie auf die Pflanzen, die gerade Dutzende von Litern transpirieren, d.h. Wasser als Wasserdampf abgeben. Die Sonnenwärme wird dadurch «zerstreut», denn sie wird zu latenter Wärme, indem sie, eingeschleust in Wasserdampf, kondensiert.




Dieses Zusammenspiel bildet für die Umgebung ein effizienter Kühlmechanismus. Dabei ist dieses sogenannte «grüne» Wasser, das aus den Pflanzen verdunstet ist, keinesfalls als verlorenes Wasser zu betrachten. Im Gegenteil: Das verdunstete Wasser stellt als eine Art «Himmels-Wasserreservoir» einen unverzichtbaren Teil des kleinen Wasserkreislaufs dar, speist ihn und stellt sicher, dass wir zu einem späteren Zeitpunkt mit einem Regenguss beglückt werden. Ohne «Himmels-Wasserreservoir» kein kleiner Wasserkreislauf.


Nun, gemäss Experten macht die Transpiration der Vegetation den dominierenden Teil der gesamten Feuchtigkeit aus, die von den Kontinenten als sogenannter «vertikaler Wasserdampf-Fluss» in die Atmosphäre aufsteigt! Und nur ein kleiner Teil ist auf einfache Verdunstung von Land oder Gewässern ohne pflanzliche Zwischenstufen zurückzuführen.


Reservoir Boden ausser Betrieb


Nun, menschliche Aktivitäten wie massive Abholzung, Landdegradierung und Verstädterung haben die Bewegungen des Wassers in ihrem Kreislauf drastisch verändert – so sehr, dass es sich auf das lokale Klima auswirkt. Nur 3% der weltweiten Ökosysteme seien noch vollständig intakt, so eine Studie. Wenn die Sonne auf trockenen, nackten Boden strahlt – und das ist gemäss der Umweltjournalistin Judith Schwarz mittlerweile der Zustand eines Viertels der Weltoberfläche – wird die Sonnenenergie von ihm absorbiert und in fühlbare Wärme umgewandelt.


Oder wenn der degradierte Boden seine Porosität und infolgedessen seine Fähigkeit verloren hat, Wasser zu speichern, dann gehen massive Mengen Regenwasser – welche in der Vergangenheit im Boden versickerten und wiederum in die Atmosphäre verdunsteten – von den Kontinenten verloren. Denn innerhalb der Bodenmatrix kann ein Teil Bodenhumus im Durchschnitt vier Teile Bodenwasser zurückhalten. Und jede Abnahme von 1% Kohlenstoff im Boden bedeutet einen Verlust von über 50'000 Liter Wasser pro Hektar. Dazu kommt, dass Unmengen Boden verbaut worden ist und unsere gesamte Infrastruktur so ausgerichtet ist, dass das meiste Regenwasser möglichst schnell als Abwasser in Kanälen, Gräben und Drainagesystemen den lokalen Wasserkreisläufen entzogen wird, anstatt einsickern zu dürfen.


Wir können somit festhalten, dass ein grosser Teil unseres Planeten seiner Fähigkeit beraubt wurde, die Temperatur zu regulieren, weil das Volumen des Regenwassers im Boden und die Transpiration durch die Pflanzen massiv abgenommen hat. Kahle Erde ist «nackt, hungrig, durstig und fiebrig», wie der Bodenexperte Ray Archuleta zu pflegen sagt. Die Folge ist, dass sich eine riesige Wärmemenge in der Atmosphäre ansammelt, die diese überhitzt und zu extremen Wetterereignissen führt.


So vertreten inzwischen viele Experten die Meinung, dass die Ursache der Klimaerwärmung zu signifikanten Teilen im gestörten Verhalten des Wasser- und Energiekreislaufs zu finden ist. Und dieses wiederum ist auf das gravierend schlechte Management unserer inzwischen so unfitten Böden zurückzuführen.


90% der Bodenfunktionen sind biologisch gesteuert – falls der Boden fit ist


Im Umkehrschluss demonstrieren uns die soeben gemachten Ausführungen auch, dass wir durch unseren Umgang mit dem Boden tatsächlich auf Wasserkreislauf und Wärmedynamik einwirken können. Gemäss der US-Wissenschaftlerin und Bodenexpertin Kristine Nichols steuert die organische Substanz des Bodens und die darin lebenden Organismen 90 % der Bodenfunktionen: den Aufbau der Bodenstruktur, die Kohlenstoff-, Stickstoff- und Phosphorkreisläufe, die Bindung und Mobilisierung der meisten Nährstoffe sowie den Wasserkreislauf.


Wenn wir also Kohlenstoff in den Boden bringen sprich den Boden gezielt beleben, können wir die diversen Bodenfunktionen wieder herstellen. Dabei muss natürlich die Bodenbiologie bei Laune gehalten werden. Und damit es der Bodenbiologie gut geht, braucht sie ein entsprechendes Habitat: Nahrung, Wasser und ein Dach über dem Kopf, sprich Bodenporen.



Mit diesem Verständnis der Bodenfunktionen ausgerüstet, können wir Bäuerinnen und Bauern durch Humusaufbau lokale Symptome des Klimawandels und damit zusammenhängend schwierige Erntejahre relativ rasch reduzieren oder sogar ganz beseitigen.


Boden als Schlüssel für unser Wohlergehen


Es gibt wohl nur wenige natürliche Prozesse, die für unser Wohlergehen (oder gar Überleben) entscheidend sind, die nicht im oder durch den Boden ablaufen. Und wie wir gesehen haben, ist der Einfluss des Menschen auf den Boden gegenwärtig beträchtlich und mehrheitlich negativ. Der Mensch ist aber in der Lage, die weiteren Entwicklungen ins Positive zu beeinflussen.


Es ist Zeit für uns Landwirte und Landwirtinnen zu handeln. Es geht also darum, die «Bodenressource» Kohlendioxid aus der Luft zu binden, damit unsere oxidierten Böden gesunden. Und da die natürlichen Prozesse so eng miteinander verwoben sind, bringt jede bodenaufbauende Massnahme oft mehrere Vorteile mit sich.


Eine ständige Pflanzendecke wandelt Sonnenenergie in latente Wärme, hält den Boden schattig und kühl, schützt ihn vor Evaporation, schützt die Bodenaggregate bei Starkniederschlägen, aktiviert die Bodenbiologie durch Wurzelausscheidungen der Pflanzen, fördert dadurch Bodenaggregatbildung und Humusaufbau, dies wiederum verbessert die Infiltration mit Wasser etc.


Wenn wir den Klimawandel als «gestörten Kohlenstoff-, Wasser- und Energiekreislauf» erkennen, dann können wir mit gezielter Bewirtschaftung dazu beitragen, die Prozesse bei uns vor Ort wiederherzustellen. Wir mildern damit extreme Wetterereignisse ab, sorgen für ein Wachstum der Wasserreserven und optimieren den Wasser- und Energiehaushalt und halten somit unser lokales Klima aufrecht.



Quellen / Links (allesamt auf Englisch)


Damian Carrington (2021): Just 3% of world’s ecosystems remain intact, study suggests www.theguardian.com/environment/2021/apr/15/just-3-of-worlds-ecosystems-remain-intact-study-suggests (download am 24.4.2021)

Dr. Christines Jones, www.amazingcarbon.com

Michal Kravčík, www.waterparadigm.org

Judith Schwarz (2017): There’s another story to tell about climate change. And it starts with water. www.theguardian.com/commentisfree/2017/apr/03/climate-change-water-fossil-fuel?CMP=share_btn_fb (download am 24.4.2021)

Judith Schwarz (2019): Water in Plain Sight. Hope for a Thirsty World (ISBN 9781603589161)

Jon Stika (2016): A Soil Owner’s Manual. How to Restore and Maintain Soil Health (ISBN 9781530431267)


Weiterbildung

Einführung in die regenerative Landwirtschaft (Online-Kurs): https://kurs.regenerativ.ch/courses/einfuhrungskurs-regenerative-landwirtschaft

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