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Der Photosynthesezucker im Pflanzenblatt gelangt irgendwann auch in die Pflanzenwurzeln und als Wurzelausscheidungen in den Bodenraum. Bei gutem Gesundheitszustand der Kulturen und relativ beständigen Umwelt- und Bodenbedingungen können die Pflanzenwurzeln sehr viel Zucker abgeben.
Brix und Humusaufbau
Dieser ausgeschiedene Zucker ernährt die Mikroben, die ihrerseits Mineralien im Boden abbauen und der Pflanze zuführen. So unterstützen Pflanzen mit hohem Brix-Wert und viel Wurzelausscheidungen eine blühende Subkultur von Mikroben im Boden. Biologisch aktiver Boden wiederum verbessert die Pflanzengesundheit.
Ein biologisch aktiver Boden ist aber auch Voraussetzung, dass sich der Humusgehalt erhöht und sich die Bodenstruktur bessert. Mehr Humus und eine bessere Bodenstruktur tragen zu einem besseren Wasserrückhaltevermögen des Bodens. So gehen Pflanzen mit hohem Brix-Wert, ein reges Bodenleben und Trockenheitsresistenz Hand in Hand - ganz im Sinne einer klimaresilienteren Landwirtschaft. Stark zuckerhaltige Pflanzen sind auch markant frostbeständiger, da das in ihnen enthaltene hochkonzentrierte Zuckerwasser den Gefrierpunkt ändert und erst zu tieferen Temperaturen gefriert.
Brix und die menschliche Gesundheit
Richten wir unseren Blick vom Boden weg und auf uns Menschen, lässt sich ebenfalls ein Zusammenhang zwischen Zuckergehalt und gesundheitserhaltender bzw -fördernder Wirkung erstellen. So vertritt Dykstra die Auffassung, dass die humane Gesundheit gefährdet ist, sobald wir Nahrung mit niedrigen Brixwerten zu uns nehmen - auch wenn sich die Auswirkungen meist erst nach Jahren bemerkbar machen.
Einzig Pflanzen mit Brixwerten von 12 und darüber seien echte «Lebens-Mittel», welche bei Verzehr zur Erhaltung unserer Gesundheit beitragen. Gleiches gilt übrigens auch für Wirbeltiere wie Kühe, Schafe oder Rehe, deren Weidegras bzw. Futter hohe Brixwerte aufweisen sollte, damit das Tier gesund bleibt und qualitativ hochwertiges Fleisch liefert.
Was benötigen Pflanzen für einen hohen Brix-Wert?
Offensichtlich müssen gewisse Parameter - wie eine adäquate Dosis an Sonnenlicht, Wasser, eine gute Bodenstruktur mit genug Bodenluft und genügend Schlüsselnährstoffe - stimmen, damit die Stoffwechselprozesse von Pflanze und Bodenbiologie gut funktionieren. Mangelt es z.B. an Sonnenlicht oder an bestimmten Mikronährstoffen, sinkt die Photosyntheseleistung und die Fabrikation bzw. der Transport des Zuckers in der Pflanze ist beeinträchtigt.
Es wird dann kaum möglich sein, bei seinen Kulturen eine bestimmte Brixschwelle zu überschreiten. In Kombination mit unvorteilhaften landwirtschaftlichen Praktiken wird der Brixwert höchstwahrscheinlich sogar fallen.
Laut Dykstra haben insbesondere folgende Praktiken einen negativen Einfluss auf den Blatt-Brixwert der Pflanze:
Herbizide, Fungizide und Insektizide, weil sie nicht nur auf die Zielorganismen - Unkräuter, Schadpilze und Schadinsekten – giftig wirken, sondern den Nebeneffekt haben, spezifische Mikroben zu killen und die gesamte Bodenbiologie zu stören;
NPK-Düngemittel und Nährsalze, weil sie die Pflanzen zwangsernähren («verwässern»), der Mikrobiologie schaden und die elektrische Leitfähigkeit des Bodens verändern;
Genmanipulierte Pflanzen (oft auch im Zusammenhang mit Glyphosat), weil sie per se «müde» Pflanzen sind und in Normalfall um 5 Brix vegetieren (ein maximaler Wert um 10Brix ist nur mit extrem aufwändigen und kostenintensiven Massnahmen zu erreichen);
Der komplette Verzicht auf Bodenbearbeitung (z.B. konservierende Landwirtschaft, Obstbaukulturen…) kombiniert mit Bioziden und oftmals auch mit Glyphosat, weil durch die Dezimierung der Bodenbiologie der Lebendverbau von Mikronährstoffen verunmöglicht wird, letztere der inneren Erosion zum Opfer fallen und für Pflanzen nicht mehr erreichbar sind;
und Gewächshauskulturen, die unter UV-Mangel leiden, weil bis zu 99% der UV-Strahlung von der Glas- oder Plastikabdeckung absorbiert wird, diese UV-Strahlung aber für die Synthese von wesentlichen pflanzlichen Aminosäuren und ein gesundes Pflanzenwachstum unerlässlich ist.
Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass es (wie immer) darum geht, die Biologie und die damit verbundenen Lebensprozesse mit geeigneten Massnahmen - z.B. aus der regenerativen Landwirtschaft - zu erhalten bzw. zu fördern, damit die Pflanze gesund lebt und hohe Zuckerwerte aufweist.
Messungen und Schwankungen
Brix-Messungen sind natürlich dann am nützlichsten, wenn sie häufig erfolgen, so dass Pflanzenreaktionen und Trends erkannt werden können. Dykstra empfiehlt, mindestens einmal die Woche Messungen durchzuführen und sowohl die Werte als auch etwaigen Insektenbefall konsequent zu notieren.
Jahreszeit, Tageszeit, Umwelteinflüsse, Sorte, Wachstumsstadium, Wasser- und Nähstoffmanagement sowie diverse Stressfaktoren beeinflussen die Brix-Werte signifikant. So können die Brixwerte vor einem extremen Wetterereignis (z.B. ein Hagelsturm) stark sinken, da die Pflanze sicherheitshalber ihren Zucker in die Wurzeln schickt, wenn sie kurz davorsteht, die Hälfte ihres Laubes zu verlieren.
Auch bei anhaltender starker Bewölkung und nicht endend wollendem Niederschlag wird der Brixwert fallen, wobei die Geschwindigkeit des Absinkens abhängig vom Belebungsgrad und Humusgehalt des Bodens ist. Eine Anwendung von Blattspritzungen mit Fulvosäuren kompensiert das fehlende Sonnenlicht und kann in einer solchen Situation die Brixwerte stabilisieren.
Unter «normalen» Bedingungen wird der Blattsaftwert einer gesunden Pflanze über die Zeit jedoch nur um 1 bis 2 Brix schwanken (je schwächer die Pflanze, desto grösser die Schwankungen). Auch bei moderatem Stress oder trotz der energieraubenden physiologischen Veränderungen während der Fruchtbildung wird eine gesunde Pflanze ihre Blattbrixwerte halten können und von Schadinsekten verschont bleiben.
Ein Brix von mindestens 14 gilt allgemein als sicherer Wert, da dann trotz natürlicher Schwankungen der Zuckergehalt nicht unter 12 Brix fallen sollte (Grenze, wo die Pflanzen für Insekten appetitlich werden).
Fazit
Wie konnte es so weit kommen, dass wir glauben, das Insekt sei das Problem – und nicht etwa unsere Art und Weise, wie wir Landwirtschaft betreiben?
In der Natur geschieht kaum etwas zufällig. Sobald Müll produziert wird, kommt die Müllabfuhr der Natur. Sobald eine Pflanze nicht völlig gesund ist, erscheinen die Insekten und erledigen ihrer Aufgabe.
Wer also mehr über den Gesundheitszustand seiner Pflanzen erfahren will - sofort, direkt vor Ort, ohne auf ein teures Labor zurückgreifen zu müssen und möglichst bevor die Müllabfuhr kommt - sollte auf seinem Betrieb Blatt-Brixtests durchführen.
Ein hoher Brix kann nur durch gut funktionierende Lebensprozesse erreicht werden. Mit einer gehörigen Portion Wissen, Übung und Sorgfalt ist es möglich, viele Aspekte des Anbaumanagements so zu beeinflussen, dass die Lebendigkeit unserer Systeme zunimmt und optimalere sowie stabilere Brix-Werte erreicht werden.
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Weiterbildung
Basiskurse regenerative Landwirtschaft (Schwerpunkte Ackerbau, Gemüsebau und Grünland). Beginn jeweils im Februar. Infos und Anmeldung
Online-Kurs: Einführung in die regenerative Landwirtschaft. Infos und Anmeldung
Quellen
A 100-year review of Florida citrus production—what is causing this steep decline? Dr. Thomas Dykstra (Video, 2021)
Dykstra Thomas: Picky-Eater Insects Pass on High Brix Plants (Artikel, 2019)
Dr. Thomas Dykstra - Entomologist who Explains Why Insects Don't Attack Healthy Plants (Video, 2022)
Steps to Increase Brix and Refractometer - An Indispensable Monitoring Tool, Graeme Sait (Video, 2021)
Insect and disease attraction to plants with reducing sugars, Don Huber (schriftlicher Auszug aus Interview, 2020)
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